Montag, 20. August 2012

Die Rudelbildung Saisonvorschau: Borussia Mönchengladbach

Sie waren das Überraschungsteam der vergangenen Saison. Im Vorjahr noch knapp dem sicheren Abstieg entkommen mauserten sich die Gladbacher unter Lucien Favre zu einem Spitzenteam. Die Saison resultierte im Halbfinale im DFB Pokal und Tabellenplatz vier in der Bundesliga. Es war die beste Saison seit langem, doch was folgt im Jahr eins nach dem Erfolg? Die drei Stützen Dante, Neustädter und Reus haben den Verein verlassen, es kamen hochkarätige Neuzugänge. Was ist drin für die Fohlen? Teil fünfzehn der Rudelbildung Saisonvorschau.

Neuzugänge und Abgänge

Kein Spitzenteam der vergangenen Saison hat so einen Aderlass verkraften müssen wie die Gladbacher. Dieser wurde mit den Verpflichtungen von Alvaro Dominguez, Luke de Jong und Granit Xhaka aufgefangen. Dazu kam Mlapa aus Hoffenheim, eine weitere Alternative für den Angriff.

Drei große Namen kamen, drei große Namen gingen. Mit Dante verlor man seinen Abwehrchef an die Bayern, Mittelfeldmotor Neustädter ging nach Schalke und Starstürmer Marco Reus bekanntlich zu Borussia Dortmund. Man verlor somit, bis auf Keeper ter Stegen, die gesamte Achse des Teams.

Taktik

Trainer Lucien Favre setzt auf ein 4-2-2-2 System. Dies wird sich auch in der kommenden Saison nicht ändern, jedoch wird Gladbach anders agieren (müssen). Mit Reus verlor man einen Spieler, der im Tempodribbling und Kombinationsspiel seine Stärke hatte. De Jong ist ein anderer Spielertyp, zwar stark im Kombinationsspiel, aber mehr ein klassischer Strafraumstürmer.

Auch im Mittelfeld deuten sich Veränderungen an. Granit Xhaka ist ein anderer, wesentlich dominanterer, Spielertyp als Roman Neustädter. Es ist damit zu rechnen, dass Xhaka deutlich mehr Ballkontakte haben wird als sein Nebenmann Nordtveit. Dies verteilte sich in der Vorsaison noch sehr eben zwischen Neustädter und dem Norweger. Auf den Schweizer kommt eine äußerst zentrale Rolle zu.

Die zentrale Rolle von Juan Arango wird sich auch im neuen Gladbacher Team wenig ändern. Nur die Innenverteidiger Dante und Stranzl sowie der rechte Außenverteidiger Jantschke hatten im Durchschnitt mehr Ballkontakte als der Mann mit dem gefährlichen linken Fuß. Arango wird wohl wieder der verkappte Spielmacher der Fohlen-Elf sein.

Eine interessante taktische Frage ist das Verhalten der Außenverteidiger. Dies agierten in der Vorsaison sehr zurückhaltend, gerade Daems auf der linken Seite fiel wenig durch Vorstöße auf. Geht Gladbach mehr Risiko und integriert diese noch mehr im Offensivspiel?

Testspiele

Für ein Team, dass sich neu finden muss, bestritten die Gladbacher erstaunlich wenig Freundschaftsspiele. Sieben Spiele waren es an der Zahl, aus diesen ging man ungeschlagen hervor. Die Härtetests wurden gegen Preußen Münster (die gestern Werder Bremen aus dem DFB Pokal warfen) mit 3:0 gewonnen, dazu trennte man sich vom englischen Zweitligisten Birmingham City 2:2. Außerdem schlug man 1860 München mit 4:2, den VFL Bochum (4:1) und Norwich City (2:0), während man gegen den FC Sevilla zu einem torlosen Remis kam.

Baustellen

Der Kader ist auch weiterhin einer der jüngsten der Liga und einer der unerfahrensten. Von den vermeintlichen Topteams haben die nur die Bremer weniger Bundesliga-Erfahrung aufzuweisen als die Gladbacher. Auch die Neuzugänge betreten in der Bundesliga Neuland.

Im Gegensatz zur Vorsaison hat man sein größtes Plus verloren: Die Eingespieltheit. Anders als in der Vorsaison muss Favre sowohl seine Startelf als auch sein Konzept überdenken.

Auch wenn man Auswärts stark agierte, Rang drei in der Auswärtstabelle, so fehlten die Tore. In 17 Begegnungen erzielte man nur 20 Treffer. Gerade wenn der Gegner tief steht haben die Gladbacher Probleme. Dies wurde jüngst im DFB Pokal gegen Aachen wieder deutlich.

Schwach nach Standardsituationen: Nur zwölf Treffer erzielten die Borussen in der Vorsaison nach einem ruhenden Ball. Elfmeter, drei Stück, eingerechnet.

Es wird interessant, wie die Gladbacher ihr Spiel mit de Jong umstellen (müssen). Kein Team schlug in der Vorsaison weniger Flanken als die Borussia. De Jong ist jedoch, ähnlich wie Schalkes Huntelaar, ein Strafraumstürmer und somit (auch) auf Flanken angewiesen.

Die beiden Außenverteidiger Daems und Jantschke halten sich im Offensivspiel eher zurück. Vielleicht sollte Favre, wenigstens gegen tiefstehende Gegner, überlegen den offensiven Außenverteidigern Zimmermann und Wendt eine Chance zu geben. Man könnte dann das zentrale Mittelfeld etwas defensiver besetzen.

Das Jahr eins nach Reus: Der Fußballer des Jahres war an mehr als der Hälfte aller Gladbacher Tore direkt beteiligt. Wer tritt in seine Fußstapfen?

Stärke

Es wurde in der Vorsaison oft, fälschlicherweise, behauptet, dass die Gladbacher ein Konterteam seien. Dies ist allerdings nicht der Fall. Nur die Bayern hatten im Durchschnitt mehr Ballbesitz als die Borussen. Das Heft selbst in die Hand nehmen zu müssen ist also nichts neues für die Fohlen.

Die Passgenauigkeit war schon in der Vorsaison eine der großen Stärken der Borussia. Hier wurde man ebenfalls nur von den Bayern übertrumpft.

Auch in der Luft war man kaum zu schlagen. Nur Leverkusen und Wolfsburg gewannen mehr Kopfballduelle pro Spiel. Prozentual war man hier sogar Ligaspitze.

Starke Defensive: Nur Dortmund und die Bayern kassierten weniger Gegentreffer als die Gladbacher. Die Fohlen ließen nur 24 Gegentreffer zu. Dies sind 20 Gegentreffer weniger als der drittplatzierte Schalke.

Fair zum Erfolg: Kein Team foulte weniger als die Gladbacher.

Favre: Der Trainer gewann mit Gladbach bisher mehr als die Hälfte aller Spiele, kommt auf einen Punktedurchschnitt von unglaublichen 1,83 Punkten pro Spiel.

Ter Stegen: Kein Keeper wehrte in der Vorsaison mehr Torschüsse ab. Mit ihm hat man einen jungen, mitspielenden Keeper, der ein großer Rückhalt ist.

Positives Überraschungspotential

Tritt Igor de Camargo in die Fußstapfen von Marco Reus? Der Belgier glänzte in der Vorbereitung und scheint vorerst gesetzt zu sein. Er war auch Gladbachs Toptorjäger in den Testspielen.

Potentieller Gefahrenherd

Wenn Xhaka nicht sofort einschlägt fehlt ein zentraler Mittelfeldmann der gehobenen Klasse. Nordtveit ist auf dem Weg, Cigerci hat tolle Anlagen, doch es fehlt ein "B"- Leader im Mittelfeld.

Die Aufbruchstimmung könnte abrupt verstummen, wenn man nicht in die Champions League einzieht. Mit Dynamo Kiev trifft man auf einen schweren Gegner, ein Ausscheiden ist nicht unwahrscheinlich.

Mögliche Startelf

ter Stegen - Jantschke, Stranzl, Alvaro Dominguez, Daems - Nordtveit, Xhaka - Herrmann, Arango- de Camargo (Hanke), de Jong

Prognose

Trainer Favre hob zurecht hervor, dass man mit den Abgängen sein Rückgrat verloren habe. Auch wenn Alvaro Dominguez, Xhaka und De Jong viel Qualität mitbringen kann man kein genaues Urteil darüber fällen, wie lange es dauert, bis Gladbach sich eingespielt hat. Und ob dies auf ähnlich hohem Niveau wie in der Vorsaison anzusiedeln ist.

Dies ist generell des Pudels Kern in Gladbach: Vor der Erfolgssaison schaffte man es in fünfzehn Jahren nicht einmal in die obere Tabellenhälfte. Nun wurde man vierter und die Erwartungshaltung ist, nicht nur aufgrund der Millionen Transfers, rapide gestiegen. Sportdirektor Max Eberl betonte deshalb vollkommen zurecht, dass die Vorsaison nicht der Maßstab ist und man sich in der oberen Tabellenhälfte festsetzen will. Ein realistisches Ziel.

Wer denkt, dass Gladbach jetzt automatisch wieder ein Kandidat für die Champions League ist, muss enttäuscht werden. Die Fohlen sind ein gutes Team, das sich, unter normalen Umständen, ohne Probleme in der oberen Tabellenhälfte festsetzen sollte. Doch wo genau dies sein wird ist die große Frage. Platz drei und vier sind möglich, aber unwahrscheinlich, da die Konkurrenten aufgerüstet haben und Gladbach ein Reus, die Eingespieltheit und der Überraschungsmoment fehlen.

Die Gladbacher sind ein ernsthafter Anwärter auf einen Platz in der Europa League, aber die Konkurrenz ist hart. Platz 5-8.

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